Kennzahlen-Optimierung vor dem Unternehmensverkauf: Der 18-Monat-Fahrplan

Kennzahlen-Optimierung vor dem Unternehmensverkauf: Der 18-Monat-Fahrplan

Letztes Jahr saß mir ein Maschinenbauunternehmer gegenüber, der mit seinen Kennzahlen völlig zufrieden war. "Herr Clauss", sagte er stolz, "unser EBIT liegt bei 12%, das ist doch hervorragend für unsere Branche!" Er hatte recht – auf den ersten Blick. Doch als wir tiefer in die Zahlen eindrangen, offenbarte sich ein anderes Bild: Der Cashflow war negativ, die Kapitalbindung extrem hoch, und 60% des Umsatzes hingen von einem einzigen Großkunden ab. Was auf dem Papier gut aussah, war für potenzielle Käufer ein rotes Tuch.

Diese Erfahrung zeigt, warum gute Kennzahlen allein nicht ausreichen. In unserem Grundlagenartikel haben wir die 5 wichtigsten Unternehmenskennzahlen für eine realistische Bewertung erklärt – EBIT, EBITDA, Cashflow, Umsatzrendite und ROCE. Heute geht es um den entscheidenden nächsten Schritt: Wie Sie diese Kennzahlen systematisch optimieren und damit Ihren Unternehmenswert messbar steigern.

Nach diesem Artikel wissen Sie, wie Sie einen strukturierten 18-Monats-Plan aufsetzen, typische Fallen vermeiden und Ihre Kennzahlen so ausrichten, dass Käufer Ihr Unternehmen als erstklassige Investition wahrnehmen.

Die häufigsten Kennzahlen-Fallen: Wenn schöne Zahlen nicht verkaufsreif sind

Der "Käuferbrille"-Test

In meiner über 30-jährigen Unternehmerpraxis erlebe ich immer wieder die gleiche Diskrepanz: Unternehmer sind von ihren Zahlen überzeugt, während Käufer kritische Fragen stellen. Der Grund liegt in der unterschiedlichen Perspektive. Während Sie als Unternehmer die operative Leistung bewerten, schauen Käufer auf Zukunftsfähigkeit, Risiken und nachhaltige Ertragskraft.

Die 5 kritischsten Kennzahlen-Probleme:

  1. Nicht-normalisierte Kennzahlen: Sondereffekte wie Einmalverkäufe oder außerordentliche Aufwendungen verzerren das Bild der nachhaltigen Ertragskraft.
  2. Fehlende Nachhaltigkeit: Kennzahlen schwanken stark oder zeigen negative Trends, die strukturelle Probleme signalisieren.
  3. Branchenuntypische Ausprägungen: Eine EBIT-Marge von 5% mag gut klingen, ist aber in der Softwarebranche ein Warnsignal.
  4. Klumpenrisiken: Abhängigkeiten von Einzelkunden, Lieferanten oder Produkten machen Käufer nervös.
  5. Unplausible Entwicklungen: Sprunghafte Verbesserungen kurz vor dem Verkauf wirken verdächtig und werden kritisch hinterfragt.

Die Kennzahlen-Ampel:

  • Grün (verkaufsreif): Stabile Trends über 3+ Jahre, branchenübliche oder bessere Werte, diversifizierte Strukturen
  • Gelb (optimierungsbedürftig): Schwankende Werte, einzelne Ausreißer, moderate Abhängigkeiten
  • Rot (nicht verkaufsreif): Negative Trends, unterdurchschnittliche Werte, kritische Abhängigkeiten

Der systematische Optimierungsansatz: 18 Monate zum Erfolg

Phase 1: Bestandsaufnahme und Bereinigung (Monate 1-3)

Der erste Schritt ist ein ehrliches Kennzahlen-Audit. Hier geht es darum, Ihre fünf wichtigsten Unternehmenskennzahlen zu normalisieren und ein realistisches Bild zu zeichnen.

Kernaufgaben:

  • Bereinigung des EBIT um Sondereffekte und überhöhte Geschäftsführergehälter
  • Normalisierung des Cashflows um einmalige Working-Capital-Effekte
  • Identifikation nicht-betriebsnotwendiger Vermögenswerte für den ROCE
  • Aufbau eines 3-Jahres-Trends für alle Kennzahlen

Mein bewährter Ansatz: Erstellen Sie parallel zur "geschönten" auch eine "Worst-Case"-Betrachtung Ihrer Zahlen. So sind Sie auf kritische Käuferfragen vorbereitet.

Phase 2: Strukturelle Optimierung (Monate 4-12)

Jetzt geht es an die operative Verbesserung. Hier ein praxiserprobtes Beispiel aus meiner Beratung: Ein Handelsunternehmen mit 8 Mio. Euro Umsatz steigerte seine EBIT-Marge von 7% auf 10% durch:

  • Preisoptimierung: Systematische Analyse der Deckungsbeiträge je Produktgruppe führte zu gezielten Preisanpassungen (+1,5% Marge)
  • Kostenstellenanalyse: Identifikation und Eliminierung von "Kostenfressern" in der Verwaltung (+1% Marge)
  • Working Capital Management: Reduzierung der Lagerbestände um 20% verbesserte den Cashflow um 300.000 Euro
  • Kundenportfolio-Bereinigung: Trennung von verlustbringenden B- und C-Kunden (+0,5% Marge)

Konkrete Optimierungshebel je Kennzahl:

  • EBIT: Preisanpassungen bei A-Produkten, Fixkostenoptimierung, Produktmix-Verbesserung
  • Cashflow: Debitorenmanagement, Lageroptimierung, Kreditorenlaufzeiten
  • ROCE: Verkauf nicht-betriebsnotwendiger Assets, Sale-and-lease-back, Kapitalumschlag
  • Umsatzrendite: Fokus auf margenstarke Segmente, Automatisierung, Outsourcing

Phase 3: Feinschliff und Dokumentation (Monate 13-18)

Die letzten Monate vor dem Verkauf sind entscheidend für die Glaubwürdigkeit. Hier stabilisieren Sie die Trends und bereiten die Verkaufsdokumentation vor.

Erfolgsfaktoren:

  • Mindestens 6 Monate stabile Kennzahlen-Entwicklung
  • Plausible Erklärung für alle Verbesserungen
  • Saubere Dokumentation aller Optimierungsmaßnahmen
  • Vorbereitende Due Diligence mit kritischen Fragen

Branchenspezifische Strategien: Was in Ihrer Branche zählt

Handel/E-Commerce: Fokus auf Lagerumschlag (Ziel: >6x/Jahr) und Kundenstruktur. Besonders wichtig: Reduzierung der Kapitalbindung und Aufbau wiederkehrender Umsätze. Ein E-Commerce-Kunde steigerte seinen Unternehmenswert um 40%, indem er ein Abo-Modell für Verbrauchsartikel etablierte.

Produktion/Industrie: Hier steht die Fixkostendegression im Vordergrund. Auslastungsgrad über 80% und effiziente Abschreibungsstrategien sind entscheidend. OEE-Werte (Overall Equipment Effectiveness) über 65% signalisieren operative Exzellenz.

Dienstleistung: Stundenverrechnungssätze und Mitarbeiterproduktivität bestimmen den Wert. Ziel: Aufbau von Recurring Revenue durch Wartungsverträge oder Retainer-Modelle. Eine IT-Beratung steigerte ihre Bewertung um 60%, indem sie 30% ihres Umsatzes auf wiederkehrende Wartungserlöse umstellte.

Software/Tech: Skalierungseffekte und Planbarkeit stehen im Mittelpunkt. CAC (Customer Acquisition Cost) unter 12 Monaten LTV (Lifetime Value) und Churn Rates unter 5% sind Benchmarks für Käufer.

Der 90-Tage-Quickstart: Sofort umsetzbare Maßnahmen

Woche 1-2: Datensammlung

  • Sammlung aller Finanzdaten der letzten 3 Jahre
  • Identifikation der wichtigsten Datenquellen und Systeme
  • Aufbau einer monatlichen Kennzahlen-Cockpit

Woche 3-8: Quick Wins Starten Sie mit den einfachsten Maßnahmen: Debitorenmanagement verschärfen, nicht-betriebsnotwendige Kosten eliminieren, Preise bei A-Kunden prüfen. Diese "Low-hanging fruits" bringen oft schon 10-20% Verbesserung.

Woche 9-12: Monitoring etablieren Implementieren Sie ein monatliches Controlling der optimierten Kennzahlen. Nur was gemessen wird, wird auch gesteuert.

Erfolgsbeispiel aus der Praxis

Ein Metallverarbeitungsunternehmen mit 50 Mitarbeitern kam mit schwankenden Margen und hoher Kapitalbindung zu mir. Die Ausgangssituation:

  • EBIT-Marge: 6% (schwankend zwischen 4-8%)
  • ROCE: 12% (unterdurchschnittlich)
  • Cashflow oft negativ durch hohe Lagerbestände

Der Optimierungsweg: 18 Monate systematische Arbeit an drei Hebeln: Produktportfolio-Bereinigung (Elimination der 20% margenschwächsten Produkte), Just-in-Time-Produktion (Lagerreduzierung um 35%) und wertorientierte Preisgestaltung.

Das Ergebnis:

  • EBIT-Marge: 11% (stabil über 12 Monate)
  • ROCE: 18%
  • Positiver Free Cashflow: 800.000 Euro

Der Unternehmenswert stieg von ursprünglich 3,2 Mio. auf 5,1 Mio. Euro – eine Steigerung um 59%. Das Unternehmen wurde erfolgreich an einen strategischen Käufer verkauft.

Fazit: Warum sich Kennzahlen-Optimierung immer lohnt

Die systematische Optimierung Ihrer Unternehmenskennzahlen ist kein netter Zusatz, sondern der entscheidende Faktor für einen erfolgreichen Unternehmensverkauf. Der Zeitfaktor ist dabei kritisch: 18 Monate Vorlauf ermöglichen nachhaltige Verbesserungen, die Käufer überzeugen.

Meine Erfahrung zeigt: Unternehmen, die systematisch an ihren Kennzahlen arbeiten, erzielen im Durchschnitt 30-50% höhere Verkaufspreise. Selbst wenn Sie nicht verkaufen möchten – die operative Verbesserung stärkt Ihr Unternehmen nachhaltig.

Ihr nächster Schritt: Führen Sie einen ehrlichen Kennzahlen-Check durch. Wo stehen Sie im Branchenvergleich? Welche Quick Wins können Sie sofort umsetzen?

Gerne unterstützen wir Sie bei der systematischen Optimierung Ihrer Unternehmenskennzahlen. Vereinbaren Sie ein unverbindliches Beratungsgespräch oder laden Sie unsere Kennzahlen-Optimierungs-Checkliste herunter.

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